Der Einsatz von Virtual Reality (VR) in der Bildung und in inklusiven Projekten bietet viele Chancen. Doch eine oft unterschätzte Herausforderung ist die sogenannte Motion Sickness – eine Form der Reiseübelkeit, die auch beim Tragen von VR-Brillen auftreten kann.
Was ist Motion Sickness?
Motion Sickness, auch „Simulator Sickness“ oder „Cyber Sickness“ genannt, bezeichnet ein Unwohlsein, das entsteht, wenn das visuelle System Bewegungen wahrnimmt, die vom Gleichgewichtssinn nicht bestätigt werden – oder umgekehrt.
Typische Symptome sind:
- Übelkeit
- Schwindel
- Kopfschmerzen
- Kalter Schweiß
- Konzentrationsstörungen
Diese Effekte treten nicht bei allen Menschen gleichermaßen auf, betreffen aber in Studien bis zu 20–40 % der VR-Nutzer:innen – insbesondere bei längerer Nutzungsdauer oder intensiven Simulationen.
🔗 Studienhinweis:
Sharples et al. (2008): A longitudinal study of virtual reality sickness symptoms. https://doi.org/10.1016/j.vr.2008.03.004
Warum ist das für unser Projekt wichtig?
In ESEP setzen wir AR/VR gezielt zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen ein – etwa beim Training von Alltagssituationen, zur Orientierung oder im Rahmen von Lernanwendungen. Gerade bei Menschen mit:
- neurologischen Einschränkungen
- erhöhtem Stresslevel
- sensorischen Verarbeitungsstörungen
kann Motion Sickness früher oder stärker auftreten.
Auf nachfolgende Punkte muss daher bei der Entwicklung von Anwendungen (Apps) geachtet werden:
- Stabile Bildfrequenzen (mind. 90 FPS)
- Sanfte Übergänge und geringe Kamera-Bewegungen
- Individuell anpassbare Steuerelemente (z. B. Sitzmodus, Bewegung mit Blicksteuerung)
- Pausenmöglichkeiten und klare Rückmeldung
- Kombination mit Augmented Reality (AR), die seltener Motion Sickness verursacht
Was hilft gegen Motion Sickness?
- Langsame Eingewöhnung: Kurze, wiederholte Sessions helfen dem Gehirn, sich an die VR-Umgebung zu gewöhnen
- Gute technische Ausstattung: Hochwertige Headsets mit geringer Zeitverzögerung zwischen einer Aktion des Nutzers (z. B. eine Kopfbewegung) und der Reaktion des Systems (z. B. dem Bild, das sich entsprechend mitbewegt) (LAG) reduzieren das Risiko deutlich
- Anpassbare Einstellungen: Empfindliche Nutzer:innen profitieren von der Möglichkeit, Kamera, Bewegung und Interaktion individuell zu steuern
- Pausen und Flüssigkeit: Kurze Unterbrechungen, frische Luft und genug Wasser helfen bei leichten Beschwerden
🔗 Praxisbericht:
Stanney et al. (2020): Identifying causes of and solutions for cybersickness in immersive technology. https://doi.org/10.1016/j.ijhcs.2020.102615